Magdalena oder Das Kreuz des Glaubens (2022) 

Was denkbare Aufführungen betrifft, nimmt „Magdalena“ eine Mittelposition zwischen dem voll ausgearbeiteten „Babel“ und dem nur skizzenhaft realisierten „Exodus“ ein. Definitiv fixiert und in der Praxis bewährt ist die Stimmführung von Solisten und Chor; mögliche Instrumentierungen aber reichen von einer mit zwei, drei Bläsern verstärkten Rockgruppe bis hin zum großen Orchester. Am besten wäre wohl der Rückgriff auf eine gängige Big Band. Wieder haben interessierte Dirigenten breite Möglichkeiten, eigene Klangvorstellungen einzubringen.

Entstehung

Ein erster Ansatz zum neuen Oratorium hatte 2014 noch in eine Sackgasse geführt. 2019 wiederaufgenommen, ergaben sich plötzlich die ausstehenden Partien mit zwingender Notwendigkeit. Es war Victor Bullok vom Woodshed Studio, dessen dezente Hinweise es mit sich brachten, dass zu meiner MIDI-Version mit der Zeit die Drums, die Gitarren, die Vocals live eingespielt wurden (das meiste unter den Bedingungen der Corona-Epidemie im home recording), so dass schließlich eine Produktion vorlag, die der „Babel“-CD in nichts nachsteht. Gesangssolisten waren die mir von „Babel“ her bekannte Lucy Frank, dazu ehemalige Schüler der Regensburger Music Academy – heute professionelle Musiker allesamt: Anita Gebhard, Richi Beck, Martin Strasser.

Handlungsansatz

Die Handlung des Oratoriums erzählt die „alte Passions-Geschichte in frischem Gewand und aus einem kritischen, witzigen und doch so bitteren Blickwinkel“ (R. Beck) heraus. Wir sind an den Rand der via dolorosa versetzt, Jesus hat seinen Weg hinauf nach Golgotha angetreten. Ihm stellen sich drei Herrschaften entgegen, drei materialistische Hedonisten, wie sie im Buche (nämlich im Buch der Weisheit aus dem Alten Testament) stehen. Sie versuchen, ihn argumentativ vorzeitig zu Fall zu bringen: Das Kreuz darf nicht zum Gotteszeichen werden. Es treffen also das jesuanische Glaubenskonzept und ein neuzeitlich-atheistischer Lebensentwurf aufeinander.

Aussage

Noch zwingender als in „Exodus“ werden beide Grundhaltungen einem Nullpunkt zugeführt. Religiosität scheitert an der Unzulänglichkeit ihrer offiziellen Vertreter (in der Tat hat die Kirche mittlerweile fast jeden Anspruch verspielt, moralisch ihre Stimme zu heben – obwohl dies dringend nötig wäre), auf die atheistischen Glücksversprechungen durch konsequente (Selbst-)Optimierung und Kontrolle reagiert Magdalena, Fürsprecherin Jesu in der Oratoriumshandlung, mit einem fassungslosen „Mir graut.“ Allein unter dem Kreuz zurückgeblieben, bedenkt sie das Erlebte und kommt zum Schluss, dass Jesu Weg doch „der einzige richtige“ war.

Hören Sie hier den «Magdalena»-Audiotrailer:

Interview zu «Magdalena» auf Radio Horeb:

Tracklist:

CD 1
1 Der Pakt
2 Erster Vorübergang
3 Erste Befragung
4 Zweiter Vorübergang

CD 2
1 Zweite Befragung
2 Dritter Vorübergang
3 Dritte Befragung
4 Unterm Kreuz 

Relevanz

„Magdalena“ reflektiert also die zunehmenden Isolationsgefühle („Allein unterm Kreuz“), die einen eher rational ausgerichteten Katholiken in der Gegenwart ängstigen müssen. Die Argumente des wissenschaftlichen Atheismus sind ernst zu nehmen: Wer den Glauben behaupten will – und sei es als ultima ratio – , darf die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen, das Denken darf den Gläubigen nicht verdächtig erscheinen – was es freilich oft tut. „Magdalena“ spielt die Gegenpositionen nicht billig gegeneinander aus – und daraus gewinnt das Oratorium sein Gewicht, das es für eine breitere Öffentlichkeit auch jenseits kirchlicher Kreise interessant machen müsste.

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Erschienen im ©itonmusik Verlag